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Zugang gestalten! in Frankfurt. Eines der Themen: Der Online-Katalog zu John Heartfield

Möchte man das Oeuvre eines Künstlers, welches in der Regel über verschiedene Sammlungen, Museen und bei Privatbesitzern verstreut ist, im Internet präsentieren, so ist man mit einer Vielzahl rechtlicher Probleme konfrontiert. Wie ein derartiger Katalog dennoch realisiert werden kann, stellt der Vortrag Ausgeschnitten. Montiert. Publiziert: Der Online-Katalog des grafischen Werks von John Heartfield exemplarisch vor.

Die Zukunft hat begonnen

Auch in diesem Jahr zeigen wir im Rahmen der Konferenz „Zugang gestalten!“ verschiedene Projekte, um die praktische Umsetzung des Zugangs zum kulturellen Erbe zu präsentieren. In diesem Jahr freuen wir uns unter anderem auf die Gewinnerprojekte von „Coding da Vinci“, einem Hackathon, der von unseren Konferenzpartnern Open Knowledge Foundation Deutschland, der DigiS – Servicestelle Digitalisierung Berlin, der Deutschen Digitalen Bibliothek und Wikimedia Deutschland veranstaltet wurde. Der folgende Beitrag von Barbara Fischer wurde zuerst auf dem Blog von Wikimedia Deutschland veröffentlicht.

CDV Logo transparent auf gruen CMYK-01

Es war fast so heiß wie vor einem Jahr in Hongkong. Und während dort die Zeitmaschine das Publikum noch zehn Jahre in die Zukunft katapultieren musste, hat die Zukunft am Sonntag im Jüdischen Museum Berlin schon begonnen.
Siebzehn Projekte stellten sich dort im Programmierwettbewerb „Coding da Vinci“ den kritischen Augen der Jury und dem Publikum im gut gefüllten Saal. Fünf haben gewonnen. Und drei der Gewinner verwendeten auch Datensets aus den Wikimedia-Projekten. Damit wird schon jetzt Realität, was Dirk Franke in Hongkong für die Zukunft prognostizierte: Künftig werden immer mehr Anwendungen die Inhalte der Wikimedia-Projekte nutzen und der unbedarfte Netz-User werde kaum wahrnehmen, woher die Daten eigentlich kommen. Der Trend geht zur multimedialen und unterhaltsamen Informationsvermittlung. So viel von der Metaebene. Aber noch ist der Quell des Wissens klar: die Wikipedia.

Die Ziele von Coding da Vinci

Zurück zum gelungenen Abschluss eines neuen Projektformats, das Wikimedia Deutschland (WMDE) dieses Jahr zum ersten Mal ausprobiert hat. Unter dem Namen „Coding da Vinci“ richtete WMDE in einer strategischen Partnerschaft mit der Deutschen Digitalen Bibliothek, der Open Knowledge Foundation und der Servicestelle für Digitalisierung des Landes Berlin einen Kultur-Hackathon aus. Anders als bei üblichen Hackathons hatten die Coderinnen, Designer und Entwickler hier zwischen Start und Ende des Hackathons zehn Wochen Zeit, um aus ihren Ideen fertige Anwendungen zu kreieren. Denn wir wollten nicht nur den 16 Kulturinstitutionen, die zumeist aus Anlass des Programmierwettbewerbes ihr digitalisiertes Kulturgut unter einer freien Lizenz öffentlich zugänglich und nachnutzbar gemacht hatten, zeigen, was „Hacker“ mit Kulturdaten anstellen können. Sondern mit der öffentlichen Preisverleihung am Sonntag im Jüdischen Museum auch weitere Kultureinrichtungen mit den Ergebnissen überzeugen, ihre digitalisierten Sammlungen ebenfalls frei zu lizensieren. Schon in diesem Jahr wurden 20 Kulturdatensets so für Wikimedia-Projekte nachnutzbar.

Spannung bis zum Ende

Es war auch für uns vier Veranstalter bis zur letzten Minute spannend, von welcher Qualität die Leistungen aus der Community der Coderinnen und Entwickler sein würden. Natürlich wurden nicht alle Projekte zu Gewinnern. Doch wir wurden für das Warten belohnt! Eines der Projekte, obwohl ohne Preisauszeichnung, möchte ich dennoch besonders würdigen: Mnemosyne. Die Göttin der Erinnerung stand Patin für diese ambitionierte Website. Wer kennt sie nicht, die herrlichen Momente der Erkenntnis, wenn man im Linkhopping durch die Wikipedia streift? Und wer hat schon einen Universalgelehrten als Begleiter, der beim Flanieren durch die Hallen des Museums einen in die Weiten des assoziativen Denkens verführt? Universalgelehrte als Lebensform sind laut Wikipedia Ende des 19. Jahrhunderts ausgestorben. Diesem letzten Umstand trägt das Projekt Mnemosyne Rechnung. Es möchte den Besuchern komplexer Archivwelten durch eine Kombination aus Zufallsalgorithmen das Stöbern und Entdecken wieder einfacher und sinnlicher machen. Auch wenn bei der Präsentation auf der Bühne einiges nicht funktionierte – das Potential der in Beton gegossenen Mnemosyne blitzte doch auf. Hoffentlich bricht die Arbeit an diesem Projekt nicht ab. Sondern es findet sich im Gegenteil ein Museumsverbund, der mittels Mnemosyne seinen Besuchern seine komplexen Sammlungen im Stöber-Modus erschließen möchte.

Die fünf Gewinner

Nach 2 Stunden Präsentation und einer Stunde Mittagspause standen die verdienten Gewinner in den fünf Kategorien fest und die Preise wurden von der Jury überreicht.
Out of Competition: Ganz weit vorn in der Gunst des Publikums und der Jury war der zzZwitscherwecker. Wem es schwerfällt, morgens mit den Vögeln aufzustehen, dem kann nun geholfen werden. Denn nur wem es gelingt, den richtigen Vogel dem gehörten Gesang zuzuordnen, kann den Wecker abschalten. Nach so kurzweiligem Hirnjogging ist man bestimmt wach.
Funniest Hack: Der Atlaskäfer hat Casanova-Qualitäten. Er verführte IT-Bastlerin Kati Hyyppä und ihren Bruder dazu, nicht nur einen tanzenden Cyberbeetle zu bauen, sondern gleich auch noch eine multimediale Käferbox dazu. Mal schauen, ob das Naturkundemuseum die Anregung für ihre entomologische Ausstellung aufnimmt. Auch die Jury ließ sich bezirzen und vergab den Preis für die lustigste Anwendung.
Best Design: Für die überzeugendste Gestaltung wurde die Ethnoband ausgezeichnet. Der Gedanke ist der einer Orgel. Die Erfinder der Orgel packten ganze Orchester über Pfeifen in ein Instrument. Thomas Fett schuf mit Ethnoband die Möglichkeit, mittels eines Computers ein Orchester mit Instrumenten aus aller Welt zu besetzen. Wer mag, lädt Freunde aus aller Welt oder der Nachbarschaft zur Jamsession ein.
Most Useful: In dieser Kategorie galt es, mit einer Idee und ihrer Durchführung zu überzeugen, von der die Jury sich fragte, wieso jemand nicht schon lange vorher diese Idee hatte. Diese fast nicht zu lösende Aufgabe meisterte Insight – 19xx. Ausgehend von der Liste der von den Nationalsozialisten verfemten Autoren verknüpft Insight – 19xx in ansprechender Weise die reine Namensliste mit Daten u.a. aus der Wikipedia, sodass Namen zu Biographien werden, die neugierig machen auf das Werk. Unter anderem kam so heraus, dass insgesamt fast 20.000 Buchtitel von den Nazis auf die Indexliste gesetzt worden waren – viel mehr als man bislang wusste.
Most Technical: Insbesondere durch ihre technische Raffinesse überzeugte die App Alt-Berlin die Jury. Die digitalisierte Gemäldesammlung des Stadtmuseums Berlin, das 2012 einen Wikipedian in Residence zu Gast hatte, illustriert in der App Alt-Berlin moderne OpenStreetMap-Karten. Wer sich auf die Zeitreise begibt, kann historische Karten unter den heutigen Straßenzügen entdecken. Auch aktuelle Bilder aus Wikimedia Commons lassen sich über alte Aufnahmen aus Berliner Straßen legen, und das alles demnächst bequem auf dem Handy beim Stadtspaziergang.
Alle Anwendungen stehen ihrerseits wiederum unter einer freien Lizenz und können entsprechend weiterentwickelt und umgewidmet werden.

 Ausblick 2015

Im kommenden Jahr wollen wir wieder zum Kultur-Hackathon Coding da Vinci einladen. Wir wollen nicht einfach noch mehr Kulturinstitutionen, noch mehr Daten, noch mehr kreative Projekte und noch mehr Coderinnen und Designer zum Mitmachen gewinnen, sondern wir wollen vor allem helfen, das bereitgestellte digitalisierte kulturelle Erbe noch zugänglicher zu machen. Unser Ziel ist es, die Daten vollständig mit den Wikimedia-Projekten zu verknüpfen, damit sie auch unmittelbar von allen Freiwilligen der Wikimedia-Projekte verwendet werden können.

Pressestimmen:
Heise.de
Deutschlandradio Kultur
Golem.de

Deutsche UNESCO-Kommission übernimmt Schirmherrschaft über die internationale Konferenz „Zugang gestalten!“

„Wenn alles digital wird, was bedeutet das für unser Erbe?“ fragt Verena Metze-Mangold, Vizepräsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission. Über die Antworten auf diese Frage und die Folgen, die sich daraus ergeben, werden am 13. und 14. November 2014 im Hamburger Bahnhof in Berlin Fachleute aus den Gedächtnisinstitutionen, Wissenschaftler, Künstler, Politiker, Juristen, Aktivisten und Vertreter verschiedener Institutionen diskutieren. Angesichts der Digitalisierung ganzer Bibliotheksbestände, großer Projekte und vieler kleiner Initiativen zur Digitalisierung des kulturellen Erbes ist es an der Zeit, eine kritische Bilanz zu ziehen und Erfolge und Rückschläge zu analysieren.

Logo unter Schirmherrschaft der DUK

Mit der Übernahme der Schirmherrschaft verdeutlicht die Deutsche UNESCO-Kommission die Relevanz des Zugangs zum digitalen und digitalisierten Kulturerbe und unterstützt den Diskurs, der im Rahmen der Konferenz „Zugang gestalten!“ diesbezüglich geführt wird.

Weitere Informationen zur diesjährigen Konferenz sowie zum Programm folgen in Kürze. Hier können Sie sich bereits zur Veranstaltung anmelden.

Es ist wieder soweit!

Auch in diesem Jahr führen wir den Diskurs über die Digitalisierung des kulturellen Erbes auf der Konferenz „Zugang gestalten – Mehr Verantwortung für das kulturelle Erbe“ weiter. Am 13. und 14. November treffen sich Experten und Interessierte aus Kulturinstitutionen, Politik, Wirtschaft sowie gesellschaftlichen Gruppen und Initiativen im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart Berlin, um den Zugang zum kulturellen Erbe zu diskutieren. In einer Zwischenbilanz wird in diesem Jahr untersucht, welche Digitalisierungsprojekte es national wie international gab und gibt und wie sie den Zugang zum Kulturerbe verändert haben. Welche Konzepte sind aufgegangen, wo gibt es Fortschritte, wo Rückschläge oder Stagnation?

Zugang Gestalten Online Einladung-page-001

Wir freuen uns insbesondere auch, die digiS – Servicestelle Digitalisierung Berlin im Kreis der Veranstalter der diesjährigen Konferenz begrüßen zu dürfen.

Ab sofort können Sie sich für die Konferenz anmelden. Wir freuen uns auf Sie!
Bitte beachten Sie, dass in Abstimmung mit allen Partnern der Termin nunmehr auf den 13./14. November 2014 festgelegt ist.

 

Pressemitteilung: Zugang gestalten!

Mehr Verantwortung für das kulturelle Erbe
In Berlin diskutierten über 200 Experten über das Selbstverständnis kultureller Institutionen

Am Freitag endete die Konferenz „Zugang Gestalten!“ im Jüdischen Museum Berlin. Über zwei Tage haben sich Experten verschiedener Kulturorganisationen über das Selbstverständnis kultureller Institutionen, die Digitalisierung des kulturellen Erbes und den Zugang dazu ausgetauscht. Neben der Vorstellung verschiedener Digitalisierungsprojekte wurden viele Fragen aus den Bereichen Urheberrecht, Technologie und der Gewichtung des kulturellen Erbes im Koalitionsvertrag der Bundesregierung diskutiert.

„Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens darüber, wie der Zugang zum kulturellen Erbe in der digitalen Welt gestaltet sein soll“, sagte der Leiter der Konferenz, Dr. Paul Klimpel. „Konferenzen wie diese sind besonders wichtig, um einen breiten gesellschaftlichen Diskurs dazu zu ermöglichen“, so Klimpel weiter.

Zu den Sprechern gehörten der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar, der Blogger und Berater Sascha Lobo sowie der ehemalige Kulturstaatsminister Prof. Dr. Michael Naumann. Die Datenmanagerin Lizzy Jongma stellte in einem Vortrag die Digitalisierungsstrategie des Rijksmuseum in Amsterdam vor. Hier werden beispielsweise berühmte Gemälde von Rembrandt und Vermeer hochauflösend zur freien Weiternutzung angeboten. In diesem Zusammenhang wurde allerdings darauf hingewiesen, dass die Digitalisierung der Bestände zum Teil sehr kostenintensiv sei und neue funktionierende Finanzierungsmodelle entwickelt werden müssten. In diesem Kontext wurde das Geschäftsmodell der Bildagentur des Bildarchivs Preussischer Kulturbesitz diskutiert. Um Digitalisierung ging es auch bei einer App, die drei Schüler selbst entwickelten und auf der Konferenz vorstellten. Grundlage für die App bildeten die im Open Data-Format zugänglichen Standorte der so genannten Stolpersteine des Künstlers Gunter Deming. Über die GPS-Funktion des Mobiltelefons des Anwenders können die Stolpersteine in der Nähe lokalisiert werden und durch die Verlinkung zu weiteren Portalen wie Wikipedia die Opfer des Nationalsozialismus, derer durch die Stolpersteine gedacht wird, mit mehr Information verknüpft werden.

Börris von Notz, Geschäftsführender Direktor des Jüdischen Museums Berlin, gibt einen Ausblick: „Der kulturpolitische Diskurs hat gezeigt, dass Hürden von Digitalisierungsvorhaben abgebaut werden müssen. Dazu gehört der Anspruch, nicht nur zu sammeln und zu bewahren, sondern auch online zu vermitteln.“ Denn so könnte die Zivilgesellschaft noch aktiver die Aufgabe der Kultur- und Gedächtnisinstitutionen unterstützen, das kulturelle Erbe für uns alle lebendig zu bewahren. Pavel Richter, Vorstand von Wikimedia Deutschland, lud daraufhin die Anwesenden ein, den Zugang frei zu gestalten.

„Zugang gestalten!“ fand zum zweiten Mal im Jüdischen Museum Berlin statt.
Die Konferenz wird vom Jüdischen Museum Berlin, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, dem Internet & Gesellschaft Collaboratory, der Deutschen Digitalen Bibliothek,  iRights.Lab Kultur, der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.  und Wikimedia Deutschland e.V. getragen. Die gesamte Konferenzprogramm wird als Video auf zugang-gestalten.de zu finden sein.

Pressekontakte:
Collaboratory e.V.
Tobias Schwarz | Digital Public Affairs
tobias@collaboratory.de
www.collaboratory.de/w/Presse

Jüdisches Museum Berlin
Katharina Schmidt-Narischkin
k.schmidt-narischkin@jmberlin.de
http://www.jmberlin.de/main/DE/06-Presse/00-aktuelle-presse.php

Wikimedia e.V.
Catrin Schoneville
catrin.schoneville@wikimedia.de
http://www.wikimedia.de/wiki/Presse

Weitere Informationen:
Konferenzwebseite: www.zugang-gestalten.de
Live-Blog Tag 1: www.blog.wikimedia.de/2013/11/28/liveblog-zugang-gestalten/
Live-Blog Tag 2: www.blog.wikimedia.de/2013/11/29/liveblog-zugang-gestalten-tag-2/
Videos: vimeo.com/album/2629015
Erste Fotos: http://goo.gl/dJb5Q1, David JacobCC BY-SA 3.0

Glosse: Wenn der Landesdatenkonservator eingreift

Gedächtniskultur meint ja auch Denkmalpflege. Für die gibt es eine Behörde. Und vielleicht ist der Landeskonservator ja prädestiniert dafür, den Erhalt digitaler Werke zu verwalten. Dachte sich jedenfalls Henry Steinhau*, dessen Glosse daher gut in diesen Blog und zur Konferenz paßt.

Eine Vorladung? Verwundert scanne ich durch die Tiefen meiner Langzeiterinnerungen: Wieso das denn bitte? Und wer oder was ist das LDDA? „Hey, ich brauche noch Ihre Unterschrift, dass Sie das Einschreiben angenommen haben“, stupst mich der Postler aus meinem „Was kann es nur sein?“-Suchmodus. „Äh, ja, klar.“ Kritzel, kritzel.

Einen echten Brief zu quittieren, das kommt ja mittlerweile sehr selten vor. Normalerweise stopft der Bote nur diese unpersönlichen „An alle Bewohner des Hauses“-Indirektmarketing-Briefe in die Kästen, weshalb für mich die Gelbjacken schon lange nicht mehr „Post-Boten“ sondern „Spam-Bots“ sind. Nun diese eingeschriebene und persönliche Vorladung vom „LDDA“, wie es auf dem Umschlag heisst, neben einer Art Icon, dass einen stilisierten Uralt-PC-Monitor zeigt.

Ich öffne den Umschlag und überfliege das denkbar kurze Schreiben: „ … sind Sie verpflichtet, am … um … Uhr zu erscheinen, weiteres erfahren Sie über den hier abgebildeten QR-Code. Mit freundlichen Grüßen, … , Landesdatenkonservator beim Landesdigitaldenkmalamt (LDDA)“. Wieso schicken die toten Baum, wenn ich am Ende auf eine Website muss? Hätte doch ’ne Mail gereicht, … ts – Ämter!

„Willkommen, Sie haben unser Einschreiben also angenommen … nachdem wir Sie dreimal per Mail angeschrieben, jedoch keine Reaktion von Ihnen erhalten haben … “ Grmpf. Kein Wunder, denke ich, bei diesem Kürzel: selbst schwach eingestellte Spamfilter schlagen doch bei so etwas wie „LDDA“ tiefrot aus. Aber, worum geht es denn nun? „ … bezüglich der von Ihnen am … übernommenen Webdomain … diese steht seit … unter Digitaldenkmalschutz und muss daher optisch wie funktional vollständig in Ihrem Zustand der Jahre … bis … erhalten bleiben. Zum Zwecke der Klärung aller Auflagen und diesbezüglicher Kooperation mit dem LDDA … zur Besprechung in meinem Büro am … “

Na, toll. Was denken die sich denn? Kopfschüttelnd lächele ich die Vorladung erstmal in meine Zwischenablage für Kurzzeit-Belustigungen. Ich kümmere mich doch nicht darum, diese völlig veralteten Webseiten am Online-Leben zu erhalten. Für wen denn, bitte? Ausserdem haben die Jungs die Server doch eh schon letzte Woche komplett überspielt, der seit Monaten ungeklickte Krempel von davor ist doch längst im Hyperraum entsorgt. Was wollen diese LDDA-Deppen eigentlich noch? Moment, was steht da unten in roter Schrift?

„ … Ihre am … vorgenommene Löschung der fraglichen Webseite haben wir rückgängig gemacht, die Passwörter geändert; der Zugang auf die Domain ist Ihnen bis auf Weiteres nicht gestattet. Die von Ihnen überspielten Daten wurden von uns aber gesichert, wir schalten Sie Ihnen nach unseren Gesprächen und gegen eine Gebühr von … wieder frei.“

Wie bitte? Die haben uns gehackt? Ich glaube, es hackt!!

Hausabriss-Berlin-Dahlem

Mit ordentlich Wut in meinem Arbeitsspeicher fahre ich also zum Landesdigitaldenkmalamt in der Innenstadt. Ich stelle mir ein viktorianisches Gemäuer vor, in dem grauschläfige Analog-Zombies auf quietschenden Rollwagen ihre vergilbten Aktenordner hin- und herschieben, um mit ihren netzweltfremden Vorschriften den Digital Natives das Leben in der Matrix zu vermiesen.

Doch als ich in die Straße einbiege, dämmert es mir: Hier war ich doch schon mal mit den Kids, als wir uns einen nostalgischen Tag machten im … richtig: Computerspielmuseum! Die riesengroße Leuchtschrift ist zwar neu, doch an das Gebäude kann ich mich erinnern: attraktiver Bau, viel Fläche, sehr modern ausgestattet, und mit viel Luft nach oben. Jedenfalls, als wir dort waren, denn da schienen die oberen Etagen leer zu stehen, bereit für Expansion. Und genau da sitzt nun offenbar der Landesdatenkonservator, wie das Türschild verrät, das direkt neben dem Museumseingang zu den oberen Stockwerken weist.

In der dritten Etage dann ein Empfangsraum wie bei einem hippen Startup: Designer-Counter, Latte Macciato Maschinen, eine Leihstation mit Tablets, Rollern und Tassen mit LDDA-Aufdruck sowie eine Wartezone mit Sitzsäcken. Um mich anzumelden, muss ich an einem „Terminal“ den QR-Code meiner Vorladung einscannen. Kurz darauf kommt eine junge Dame zu mir. Auf dem Weg zur Besprechungsinsel erläutert sie: „Wir gehörten ursprünglich zum LDA, wurden aber für eine Public-Private-Partnership abgekoppelt. Seit wir mit dem Computerspielmuseum kooperieren, geht es uns gut: unten bezahlen die Leute Eintritt für das, was wir hier oben vor ihnen selbst retten. Die Eröffnung der neuen Abteilung ‘Webseiten und Apps‘ ist in zwei Monaten, sie nimmt die komplette zweite Etage ein. Und schon im Herbst soll eine Sonderausstellung zu ‘Skeumorphisms‘ eröffnen.“

Wir durchqueren mehrere Arbeits-Zonen mit offenen Arrangements aus Schreibtischen, Stehpults und Rumlümmel-Sofas, die Mitarbeiter gehören allen Generationen und Stilen an, von Retro-Nerds über Null-Eins-Normalos bis zu Entschleunigern (Slow Mover). Als mein Gesprächspartner auf mich zukommt, habe ich schon das zweite Deja vu des Tages: Dich kenn ich, Du warst doch mal … „ … , Gründer dieser ‘Multimedia-Bude‘, wie Du damals immer gesagt hast“, entgegnet er mir in mein offenbar lesbares Grübelgesicht. „Ja, genau“, sage ich herzlich, „ihr wart doch immer ganz weit vorne, habt euch mit Datenbank-Anbindungen für Terminals in Kaufhäusern rumgeplagt. Hatten ‘ne schicke Oberfläche, aber funktional … “ Er winkt ab: Schnee von gestern – aber irgendwie doch historisch wichtig, deswegen sei er hier im LDDA gelandet. Im Keller gäbe es die Aservatenkammer mit dutzenden Uralt-Terminals, unförmigen Rechnern, monströsen Festplatten, Druckern mit Schallschutzhauben, das ganze Zeugs. Doch es gehe eben auch um die Software, die Oberflächen von Programmen, Anwendungen und Webseiten, von Apps und Games. „Grüne Schrift auf schwarzem Hintergrund, gelbe Schrift auf braunem Hintergrund, Mann, war das gruselig … “. Ja, klar, aber irgendwie gehöre es eben zur Kulturgeschichte, zum digitalen Lebensstil, zur Medienkultur. Und daher habe das Landesdigitaldenkmalamt den Auftrag – und die Verfügungsgewalt – eben auch bestimmte Webseiten zu erhalten:

„Nicht nur für museale Zwecke speichern sondern unbedingt öffentlich online halten. Das ist unser Job.“

„In der wirklichen Welt gibt es ja auch begehbare Gedenkstätten, müssen Fassaden oder Innenarchitekturen in ihrer Ursprünglichkeit erhalten bleiben“, erklärt er. Und die von mir erworbene Domain sei nun einmal genau so ein Fall. „Nicht Dein Ernst, oder?“, opponiere ich. „Schau Dir das Design an, mit diesen farbigen Kacheln, das ist so langweilig, da klickt doch keiner mehr hin. Die Seite ist verwaist. Und überhaupt, Du weisst doch selbst, dass seit den Carsonianern das Webdesign endlich wieder frei ist. Kacheln, Dreispaltigkeit, Pulldownmenüs und Popup-Windows, mit diesem langweiligen Einheitsbrei haben die aufgeräumt und alle Regeln, frei nach Typografie-Anarcho David Carson, bewusst gebrochen. Und mal ehrlich, diese viereckigen MS-Kacheln, die waren doch nun wirklich kein wertvoller Beitrag zur … “

„Leider doch! Denk‘ doch mal nach, die Social Media-Plattformen: Flipboard und LinkedIn, Google+ und irgendwie auch Facebook, alle haben vorgekachelt und dann haben eben die Webseitengestalter nachgekachelt. Das war ‘Mainstream‘, oder?“ OK, ja, das stimmt schon, sage ich, aber wieso gerade die von uns übernommene Domain, die ist doch so was von dröge und dermaßen durchschnittlich gewesen … „Eben drum!“, ruft er begeistert. Um mir dann noch einen Impuls zu geben.

„Pass mal auf, wir werden ab diesem Jahr Menschen oder Firmen mit einem Preis auszeichnen, die sich in besonderer Weise um Digitale Denkmale oder die Online-Denkmalpflege verdient gemacht haben, ganz in der Tradition der ‘Ferdinand-von-Quast-Medaille‘. Das wäre ‘ne Chance für euch, ihr seid doch so scharf auf Awards. Außerdem suchen wir im übrigen noch eine Agentur, die für uns Webseite und App für diesen Preis umsetzt. Der DigiPitch startet nächste Woche.“

„OK“, sage ich, „da beisse ich doch glatt an. Schick‘ mir dazu mal so‘ne Vorladung“. Er nickt zufrieden.

Ich glaube, den hat er jetzt nicht mitbekommen. Grins.

*Henry Steinhau arbeitet als freier Medienkultur-Journalist in Berlin und gehört zur Redaktion von iRights.info

Cédric Manara: Enabling the Digitisation of Cultural Heritage

In 6 Tagen startet unsere Konferenz „Zugang gestalten!“ im Jüdischen Museum Berlin! Heute stellen wir Cédric Manara vor, der mit einem Impulsreferat den Block „Rechtliche Rahmenbedingungen“ am Nachmittag des zweiten Konferenztages einleiten wird.

Background

Cedric Manara

Dr. Cédric Manara has lost his hair teaching, writing or consulting. He has been a full time law professor at EDHEC Business School (France) and held visitorships in Finland, Italy, Japan and the USA, published a lot on intellectual property and internet legal issues, and also was a consultant for e-commerce companies or law firms. He recently joined Google’s legal team as copyright counsel.

Picture/Foto: © Hervé Thouroude

 

 

At the conference

Cédric Manara will address key topics including the shrinking of the public domain and current legislation that is leading to what he terms a “cultural black hole”. He will also make the case for more flexibility in copyright law and take a look into the recent landmark Google Books decision in New York which ruled Google’s book scanning project as fair use under copyright law.

Was wir mit offenen Daten machen – Jugend hackt

Wie entwickelt man ausgehend von einem Datensatz eine kreative Idee, die zu einer nützlichen Anwendung führt und für jede Bürgerin und jeden Bürger als Informationsquelle genutzt werden kann? Was kann man mit offenen Daten machen?

Dieser Challenge haben sich programmierbegeisterte Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren beim Open Data Hackday „Jugend hackt“ gestellt, der im September dieses Jahres in Berlin stattfand und von Young Rewired State und der Open Knowledge Foundation Deutschland organisiert wurde. Innerhalb von zwei Tagen haben die Jugendlichen gemeinsam Apps, Visualisierungen, Prototypen und andere Projekte zu den Themen Schule/Bildung und Freizeit/Umwelt auf die Beine gestellt und vor einem Publikum präsentiert.

Die besten Projekte wurden anschließend von einer Fachjury ausgezeichnet. Finn Gaida, Daniel Petri und Niklas Riekenbrauck haben mit ihrem Projekt „PlateCollect – iOS“, einer Open Data App zu Stolpersteinen in Berlin, die Jury in der Kategorie „Best in Show“ überzeugt. Bei „Zugang gestalten!“ werden sie uns erklären, wie die Idee dieser App entstanden ist und wie sie funktioniert, welche Schwierigkeiten sie lösen mussten und welche Datensätze sie genutzt haben.

Jugend hackt