Auch in diesem Jahr zeigen wir im Rahmen der Konferenz „Zugang gestalten!“ verschiedene Projekte, um die praktische Umsetzung des Zugangs zum kulturellen Erbe zu präsentieren. In diesem Jahr freuen wir uns unter anderem auf die Gewinnerprojekte von „Coding da Vinci“, einem Hackathon, der von unseren Konferenzpartnern Open Knowledge Foundation Deutschland, der DigiS – Servicestelle Digitalisierung Berlin, der Deutschen Digitalen Bibliothek und Wikimedia Deutschland veranstaltet wurde. Der folgende Beitrag von Barbara Fischer wurde zuerst auf dem Blog von Wikimedia Deutschland veröffentlicht.
Es war fast so heiß wie vor einem Jahr in Hongkong. Und während dort die Zeitmaschine das Publikum noch zehn Jahre in die Zukunft katapultieren musste, hat die Zukunft am Sonntag im Jüdischen Museum Berlin schon begonnen.
Siebzehn Projekte stellten sich dort im Programmierwettbewerb „Coding da Vinci“ den kritischen Augen der Jury und dem Publikum im gut gefüllten Saal. Fünf haben gewonnen. Und drei der Gewinner verwendeten auch Datensets aus den Wikimedia-Projekten. Damit wird schon jetzt Realität, was Dirk Franke in Hongkong für die Zukunft prognostizierte: Künftig werden immer mehr Anwendungen die Inhalte der Wikimedia-Projekte nutzen und der unbedarfte Netz-User werde kaum wahrnehmen, woher die Daten eigentlich kommen. Der Trend geht zur multimedialen und unterhaltsamen Informationsvermittlung. So viel von der Metaebene. Aber noch ist der Quell des Wissens klar: die Wikipedia.
Die Ziele von Coding da Vinci
Zurück zum gelungenen Abschluss eines neuen Projektformats, das Wikimedia Deutschland (WMDE) dieses Jahr zum ersten Mal ausprobiert hat. Unter dem Namen „Coding da Vinci“ richtete WMDE in einer strategischen Partnerschaft mit der Deutschen Digitalen Bibliothek, der Open Knowledge Foundation und der Servicestelle für Digitalisierung des Landes Berlin einen Kultur-Hackathon aus. Anders als bei üblichen Hackathons hatten die Coderinnen, Designer und Entwickler hier zwischen Start und Ende des Hackathons zehn Wochen Zeit, um aus ihren Ideen fertige Anwendungen zu kreieren. Denn wir wollten nicht nur den 16 Kulturinstitutionen, die zumeist aus Anlass des Programmierwettbewerbes ihr digitalisiertes Kulturgut unter einer freien Lizenz öffentlich zugänglich und nachnutzbar gemacht hatten, zeigen, was „Hacker“ mit Kulturdaten anstellen können. Sondern mit der öffentlichen Preisverleihung am Sonntag im Jüdischen Museum auch weitere Kultureinrichtungen mit den Ergebnissen überzeugen, ihre digitalisierten Sammlungen ebenfalls frei zu lizensieren. Schon in diesem Jahr wurden 20 Kulturdatensets so für Wikimedia-Projekte nachnutzbar.
Spannung bis zum Ende
Es war auch für uns vier Veranstalter bis zur letzten Minute spannend, von welcher Qualität die Leistungen aus der Community der Coderinnen und Entwickler sein würden. Natürlich wurden nicht alle Projekte zu Gewinnern. Doch wir wurden für das Warten belohnt! Eines der Projekte, obwohl ohne Preisauszeichnung, möchte ich dennoch besonders würdigen: Mnemosyne. Die Göttin der Erinnerung stand Patin für diese ambitionierte Website. Wer kennt sie nicht, die herrlichen Momente der Erkenntnis, wenn man im Linkhopping durch die Wikipedia streift? Und wer hat schon einen Universalgelehrten als Begleiter, der beim Flanieren durch die Hallen des Museums einen in die Weiten des assoziativen Denkens verführt? Universalgelehrte als Lebensform sind laut Wikipedia Ende des 19. Jahrhunderts ausgestorben. Diesem letzten Umstand trägt das Projekt Mnemosyne Rechnung. Es möchte den Besuchern komplexer Archivwelten durch eine Kombination aus Zufallsalgorithmen das Stöbern und Entdecken wieder einfacher und sinnlicher machen. Auch wenn bei der Präsentation auf der Bühne einiges nicht funktionierte – das Potential der in Beton gegossenen Mnemosyne blitzte doch auf. Hoffentlich bricht die Arbeit an diesem Projekt nicht ab. Sondern es findet sich im Gegenteil ein Museumsverbund, der mittels Mnemosyne seinen Besuchern seine komplexen Sammlungen im Stöber-Modus erschließen möchte.
Die fünf Gewinner
Nach 2 Stunden Präsentation und einer Stunde Mittagspause standen die verdienten Gewinner in den fünf Kategorien fest und die Preise wurden von der Jury überreicht.
Out of Competition: Ganz weit vorn in der Gunst des Publikums und der Jury war der zzZwitscherwecker. Wem es schwerfällt, morgens mit den Vögeln aufzustehen, dem kann nun geholfen werden. Denn nur wem es gelingt, den richtigen Vogel dem gehörten Gesang zuzuordnen, kann den Wecker abschalten. Nach so kurzweiligem Hirnjogging ist man bestimmt wach.
Funniest Hack: Der Atlaskäfer hat Casanova-Qualitäten. Er verführte IT-Bastlerin Kati Hyyppä und ihren Bruder dazu, nicht nur einen tanzenden Cyberbeetle zu bauen, sondern gleich auch noch eine multimediale Käferbox dazu. Mal schauen, ob das Naturkundemuseum die Anregung für ihre entomologische Ausstellung aufnimmt. Auch die Jury ließ sich bezirzen und vergab den Preis für die lustigste Anwendung.
Best Design: Für die überzeugendste Gestaltung wurde die Ethnoband ausgezeichnet. Der Gedanke ist der einer Orgel. Die Erfinder der Orgel packten ganze Orchester über Pfeifen in ein Instrument. Thomas Fett schuf mit Ethnoband die Möglichkeit, mittels eines Computers ein Orchester mit Instrumenten aus aller Welt zu besetzen. Wer mag, lädt Freunde aus aller Welt oder der Nachbarschaft zur Jamsession ein.
Most Useful: In dieser Kategorie galt es, mit einer Idee und ihrer Durchführung zu überzeugen, von der die Jury sich fragte, wieso jemand nicht schon lange vorher diese Idee hatte. Diese fast nicht zu lösende Aufgabe meisterte Insight – 19xx. Ausgehend von der Liste der von den Nationalsozialisten verfemten Autoren verknüpft Insight – 19xx in ansprechender Weise die reine Namensliste mit Daten u.a. aus der Wikipedia, sodass Namen zu Biographien werden, die neugierig machen auf das Werk. Unter anderem kam so heraus, dass insgesamt fast 20.000 Buchtitel von den Nazis auf die Indexliste gesetzt worden waren – viel mehr als man bislang wusste.
Most Technical: Insbesondere durch ihre technische Raffinesse überzeugte die App Alt-Berlin die Jury. Die digitalisierte Gemäldesammlung des Stadtmuseums Berlin, das 2012 einen Wikipedian in Residence zu Gast hatte, illustriert in der App Alt-Berlin moderne OpenStreetMap-Karten. Wer sich auf die Zeitreise begibt, kann historische Karten unter den heutigen Straßenzügen entdecken. Auch aktuelle Bilder aus Wikimedia Commons lassen sich über alte Aufnahmen aus Berliner Straßen legen, und das alles demnächst bequem auf dem Handy beim Stadtspaziergang.
Alle Anwendungen stehen ihrerseits wiederum unter einer freien Lizenz und können entsprechend weiterentwickelt und umgewidmet werden.
Ausblick 2015
Im kommenden Jahr wollen wir wieder zum Kultur-Hackathon Coding da Vinci einladen. Wir wollen nicht einfach noch mehr Kulturinstitutionen, noch mehr Daten, noch mehr kreative Projekte und noch mehr Coderinnen und Designer zum Mitmachen gewinnen, sondern wir wollen vor allem helfen, das bereitgestellte digitalisierte kulturelle Erbe noch zugänglicher zu machen. Unser Ziel ist es, die Daten vollständig mit den Wikimedia-Projekten zu verknüpfen, damit sie auch unmittelbar von allen Freiwilligen der Wikimedia-Projekte verwendet werden können.
Pressestimmen:
Heise.de
Deutschlandradio Kultur
Golem.de